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GINI2 zieht Bilanz: Digitale Musiklehre wird einfacher, zugänglicher und interaktiver

Unsere Fragen beantwortete Birk Thierfelder, Projektleiter und Digitalization Professional.

Nach intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit haben die Förderprojekte ihre Ziele erreicht und spannende Ergebnisse hervorgebracht. In dieser Interviewreihe werfen wir einen Blick auf die Erfahrungen der Projektteams: Wir sprechen über spannende Herausforderungen, Erfolge und wichtige Erkenntnisse.

Das Projektteam von GINI2 will Musiklehrende mit KI-gestützten Tools dabei unterstützen, digitale Lehrinhalte zu erstellen und zu verwalten. Mit Hilfe von Smartphone-Kameras sollen Lehr- und Lerninhalte aufgenommen und deren Rechteverwaltung im Nachgang so einfach wie möglich gestaltet werden können. Ziel ist es, einen niedrigschwelligen Zugang zu digitalen Lehrmaterialien im Bereich Musiklehre zu bieten.

GINI2 ist seit September 2024 erfolgreich abgeschlossen. Was sind Ihre wichtigsten Projektergebnisse?

Birk Thierfelder: Es freut uns besonders, dass wir es geschafft haben, einen funktionierenden Prototyp der GINI-App zu entwickeln. Das war das Herzstück des Projekts. Die App ermöglicht es Musiklehrenden, ohne großes technisches Know-how hochwertige Lehrvideos zu erstellen – einfach per Smartphone.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist das didaktische Konzept dahinter. Wir haben interaktive Lernschleifen eingebaut – also ein ständiges Wechselspiel zwischen Üben, Feedback geben und gezieltem Weitermachen. Das stärkt das Selbstbewusstsein und die Motivation bei Lernenden enorm.

Besonders hervorzuheben ist auch das umgesetzte Innovationsszenario in der virtuellen Realität (VR): Hier können Menschen, die Schlagzeug spielen möchten, auf spielerische Weise Notenlesen und Schlagzeugspielen lernen. Der Nutzer sitzt an einem Virtuellen Schlagzeug und die Trommeln/Becken leuchten im richtigen Tempo auf. Beim Üben gibt es einen visuellen Indikator, ob man die richtige Trommel zur richtigen Zeit anspielt. Das Notenblatt selbst wird gleichzeitig in den Raum projiziert und verfügt über einen Indikator der anzeigt, wo der Schlagzeuger sich momentan im Song bzw. Rhythmus befindet. Das war sowohl technisch als auch didaktisch ein Sprung nach vorne.

Was waren Ihre größten Erfolge und gab es unerwartete Hürden?

Birk Thierfelder: Ein großer Erfolg war, dass die GINI-App nicht nur technisch funktioniert, sondern von Lehrkräften auch als hilfreich wahrgenommen wurde. Insbesondere das qualitative Feedback fiel sehr positiv aus, etwa zur intuitiven Bedienung oder der klaren Struktur.

Ein zweiter Erfolg war, dass wir es geschafft haben, künstliche Intelligenz so zu integrieren, dass sie assistiert, ohne zu überfordern – zum Beispiel durch automatische Perspektiv-, Licht- oder Audiooptimierung.

Herausfordernd war dagegen die Umsetzung eines ursprünglich geplanten haptischen Feedbacksystems im Bereich Extended Reality. Ursprünglich war es geplant, mittels elektronischer Handschuhe, die eine haptische Rückmeldung ermöglichen sowie den Widerstand und das Rückprallverhalten von Trommeln zu simulieren. Die technische Umsetzung war jedoch sehr komplex und der Ressourcenbedarf hoch, sodass wir diesen Teil stattdessen im bereits erwähnte  Innovationsszenario in der virtuellen Welt umgesetzt haben.

Wie profitieren Nutzende von Ihrem Produkt?

Birk Thierfelder: Um Lerninhalte gut vermitteln zu können, müssen professionelle Lernvideos erstellt werden. Das ist für die Lehrenden nicht nur sehr zeitaufwändig, es erfordert auch viele technische Kenntnisse. Die GINI-App gibt Musiklehrenden nun ein praxistaugliches Tool an die Hand, mit dem sie flexibel, ortsunabhängig und ganz ohne externes Equipment digitalen Musikunterricht gestalten können. Lehrende sparen Zeit, weil sie smart durch den Erstellungsprozess geleitet werden und KI-gestützte Produktionsassistenz zu bspw. Ausleuchtung, Ton oder Videoausschnitt geboten werden.

Lernende wiederum profitieren von einem strukturierten Lernpfad: Sie können sich selbst aufnehmen, Feedback erhalten, und ihre Fortschritte direkt nachvollziehen und das alles auf dem eigenen Smartphone. Das macht die App sehr zugänglich.

Welche Potenziale sehen Sie für Ihr Projekt über den aktuellen Anwendungsbereich hinaus?

Birk Thierfelder: Wir sehen auf jeden Fall Potenzial in anderen Bildungsbereichen, zum Beispiel in der beruflichen Bildung oder im Gesundheitsbereich, wo Lernprozesse stark visuell und praktisch geprägt sind.

Außerdem könnten die Funktionen auch auf andere Musikinstrumente oder kreative Fächer ausgeweitet werden. Die Basis steht und vieles davon ist übertragbar.

Stichwort Transferpotenziale: Welche Erkenntnisse möchten Sie anderen Bildungsprojekten mit auf den Weg geben?

Birk Thierfelder: Eine zentrale Erkenntnis war, dass die Verbindung von Technik und Didaktik von Anfang an mitgedacht werden muss, nicht erst hinterher. Unsere Co-Creation-Workshops mit Lehrkräften waren hier sehr hilfreich.

Außerdem hat sich gezeigt, dass einfache, funktionsfähige Lösungen oft wirksamer sind als technisch besonders komplexe. Die App muss funktionieren, leicht zugänglich sein und echte Probleme lösen. Das ist wichtiger, als alle Features auf einmal umzusetzen.

Wie geht es für Ihr Produkt weiter?

Birk Thierfelder: Für einen Rollout suchen wir Praxispartner, welche gewillt sind, mit uns die letzten Schritte in Richtung Technology Readiness Level (TRL) 8 bis 9 zu gehen und GINI2 den Endnutzenden zur Verfügung zu stellen. Wir prüfen auch, ob etwaige Kooperationen im Rahmen von Anschlussprojekten möglich sind.