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SolVing2 zieht Bilanz: Schweizer Taschenmesser für videobasiertes, interaktives Lernen und Wissensdokumentation

Unsere Fragen beantworteten Johannes Metscher, Geschäftsführer und Entwicklungsleiter, und Veronika Christodoulides, Projektmanagerin SolVing2, Ghostthinker GmbH.

Nach intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit haben die Förderprojekte ihre Ziele erreicht und spannende Ergebnisse hervorgebracht. In dieser Interviewreihe werfen wir einen Blick auf die Erfahrungen der Projektteams: Wir sprechen über spannende Herausforderungen, Erfolge und wichtige Erkenntnisse.

Das Projektteam von SolVing2 hat den Social Video Hub entwickelt, um videobasierte Lehr-, Lern- und Wissensarbeit zu fördern. Im interaktiven „Social-Video-Player“ können Szenen punktgenau markiert, (audio-)kommentiert und diskutiert werden, um so ein gemeinsames Verständnis zu den Lerninhalten zu erarbeiten. Das dynamische Lernwerkzeug mit eigenem Video-Management-System, Künstlicher Intelligenz und interaktivem Whiteboard als elektronische Sammelmappe (E-Portfolio) ermöglicht insbesondere Kollaboration und Reflexionsprozesse für die Lernenden.

Das Projekt SolVing2 ist seit August 2024 erfolgreich abgeschlossen. Was sind Ihre wichtigsten Projektergebnisse?

Johannes Metscher: Uns steht nun eine Basisversion des Social Video Hubs zur Verfügung, mit der Videoinhalte nicht nur passiv konsumiert, sondern aktiv, reflektiert und gemeinschaftlich erschlossen werden können. Mit der LTI-Anbindung (Learning Tools Interoperability) und der Anbindung an „Mein Bildungsraum“ kann der Hub auf sichere und standardisierte Weise in bestehende Systeme wie beispielsweise Kollaborationstools oder Lernmanagementsysteme (LMS) integriert werden. Die Basisversion wurde zyklisch mit Nutzenden an echten Piloten entwickelt.

Außerdem haben wir einen Praxisleitfaden zum Thema Social Video Learning im Social Video Hub erstellt. Hier erläutern wir didaktische Potenziale und geben Hinweise für die praktische Umsetzung. Mit dem Leitfaden wird es für Lehrende einfacher, die Methodik für ihre didaktischen Herausforderungen zu nutzen. Der Leitfaden bietet darüber hinaus durch Gruppenanmerkungen, sogenannte Annotation, und Videodokumentation auch niederschwellige Einsatzszenarien rund um Wissensmanagement.

Was waren Ihre größten Erfolge und gab es unerwartete Hürden?

Veronika Christodoulides: Es ist einfach spannend, wie aus der Vision für Video-Portfolioarbeit schließlich Realität wurde. Unser größter Erfolg ist mit Sicherheit, dass wir ein erlebbares Tool entwickeln konnten, das sich bei unseren Testpersonen und intern unglaublich schnell in bestehende Lern- und Kommunikationsprozesse integriert hat.

Unsere größten Herausforderungen war einerseits unerwartete Veränderungen bei unserem internen Fachpersonal sowie andererseits die Entwicklungsgeschwindigkeit und Komplexität bei vertrauenswürdigen Anwendungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI).

Wie profitieren Nutzende von Ihrer Forschung bzw. Ihren Produkten?

Veronika Christodoulides: Mit dem Social Video Hub und dem didaktischen Hintergrund steht ein Tool zum videogestützten Lernen und Wissensmanagement zur Verfügung, welches die Stärken des Mediums Video – Informationen schnell, anschaulich und emotional zu transportieren – mit den Prinzipien eines reflexiven, dialogischen und ko-konstruktiven Lernens kombiniert. Durch Anmerkungen und Kommentare – sogenannte Videoannotation – werden statische Videos zu dynamischen Lernräumen, in denen Wissen kommentiert, diskutiert, geteilt und weiterentwickelt wird. Lernende werden eingeladen, relevante Stellen im Video mit ihren Gedanken, Fragen und Beobachtungen zu versehen – einzeln oder gemeinsam mit anderen. So entsteht ein Lernprozess, der tieferes Verstehen fördert, weil sich die Nutzenden aktiv mit dem Gesehenen auseinandersetzen.

So spannend, wie die Veränderungen beim Lernen mit KI sind, brauchen wir auch soziales und praxisnahes Lernen im Sinne der Anschaulichkeit. Das Projekt kann einen Beitrag leisten zu sozialer Verständigung im digitalen Raum und bietet mit dem Video Portfolio ein Tool zur Reflexion über die eigenen Lernwege. Der Hub-Charakter zahlt darauf ein, dass unterschiedliche Systeme miteinander kombiniert werden können.

 

Welche Potenziale sehen Sie für Ihr Projekt über den aktuellen Anwendungsbereich hinaus?

Johannes Metscher: Wir hatten den Anwendungsbereich unseres Projektes durch das offene Lernverständnis von Lehraufgaben in verschiedenen Bildungskontexten bis zu informellen Wissenskontexten bereits sehr breit angesetzt. Aktuell sehen wir vor allem im Bereich des videogestützten Wissensmanagement in Industrie und verarbeitendem Gewerbe großes Potenzial. Gemeinsam mit Forschungs- und Praxispartnern erproben wir insbesondere den Einsatz von Social Video Learning im Zuge von Offboarding-Prozessen von erfahrenen Fachkräften, Onboarding neuer Mitarbeitenden und als Videodokumentation für die standortübergreifende Wartung von Maschinen.

Auch KI-sicheres Prüfen mit vielen mündlichen Prüfungen ist im Moment gerade für Bildungsinstitutionen ein großes Thema. Wir haben mit der Portfoliopräsentation, die sowohl das ausgefüllte Board als auch eine fünfminütige Videopräsentation beinhaltet, im Piloten gute Erfahrungen gemacht.

Spannend ist auch der Ansatz, das Tool für die wissenschaftliche qualitative Videoanalyse zu nutzen: Der Social Video Hub Video ermöglicht es mithilfe von Annotationen im Video, viel länger am Originalmaterial zu bleiben als bei der Arbeit mit Transkripten.

Stichwort Transferpotenziale: Welche Erkenntnisse möchten Sie anderen Bildungsprojekten mit auf den Weg geben?

Veronika Christodoulides: Generell können wir mitgeben, dass eine enge Zusammenarbeit mit den Endnutzern durch Piloten herausfordernd, aber für ein nutzerfreundliches Produkt sehr wichtig ist.

Wie geht es für Ihr Angebot/Produkt weiter?

Johannes Metscher: Nach Abschluss des Forschungsprojektes und erster Piloten verfolgen wir nun das Ziel, den Social Video Hub zur Marktreife weiterzuentwickeln und das Produkt im Verlauf des Jahres 2025 sukzessive am Markt, insbesondere als Lösung für videogestütztes Wissensmanagement für die Industrie zu etablieren.

Unser Anliegen ist es, den Social Video Hub als zukunftsweisendes Werkzeug innerhalb des digitalen Bildungsraums zu verankern und damit einen Beitrag dazu zu leisten, dass Erfahrungswissen nachhaltig gesichert und weitergegeben werden kann – sei es in der beruflichen Weiterbildung, im Kontext industrieller Wissensprozesse oder in anderen Bildungsbereichen.

Nachdem unsere Lösung komplett in Deutschland entwickelt und betrieben wird, sehen wir es auch als einen wichtigen Beitrag zur digitalen Souveränität. Die Kombination aus videobasierter Wissensdokumentation, interaktiver Zusammenarbeit und KI-gestützter Analyse bietet hier ein neuartiges Potenzial zur Unterstützung moderner Lern- und Arbeitsprozesse.